„Ich setzte meinen Fuß in die Luft“ und sie trug (Hilde Domin)

Resilienz  – die eigene Widerstandskraft wecken

Ist es möglich dem vermeidlichen Schicksal etwas entgegensetzen und ein Dennoch-Mensch zu werden? Hilde Domin spricht von sich als einem Dennoch-Menschen, weil sie fest daran glaubt, dass man angesichts der Lebens-Katastrophen dennoch vertrauen und dennoch zuversichtlich sein kann.

Ich glaube und hoffe, dass das, was ich gerade durchmache, für dich hilfreich sein wird und du dir vielleicht den einen oder anderen Gedanken, als Ressource für dein eigenes „Resilienz-Schatzkästchen“ herausnehmen kannst. Dann hätte diese furchtbare Tragik, die ich gerade erlebe, wenigstens einen Sinn.

Wenn das Leben von einer Sekunde auf die andere zerbricht

Vor zwei Wochen eröffnet mir mein Mann, dass er sich wegen einer anderen Frau von mir trennt und er ein paar Tage später auszieht. Ein einziger Satz, der mein Leben komplett verändert.

Böses Erwachen – 😳 so ein Schock

Waaaas? Wie? Hä? Ich falle hart aus allen Wolken und bin jetzt noch immer wie vom Donner gerührt.  Nichts habe ich geahnt –  nichts. Was für ein Schock. Ich bin fassungslos. Einfach nur fassungslos. Wie konnte sein innerlicher Abschied an mir vorbei gehen? Ich dachte felsenfest wir wären glücklich. 30 Jahre gemeinsames Leben in wenigen Sekunden weggewischt – einfach entsorgt.

Maßlose Enttäuschung breitet sich in mir breit aus. Ent-Täuschung. Ich war immer überzeugt, ich könne mich 100 %ig auf meinen Mann verlassen? Und jetzt werde ich verlassen? Wie kann das sein? Das kann gar nicht sein? Gleich muss ich aufwachen.

Halt mal, wer hat das Drehbuch zu diesem schlechten Film geschrieben? „Falscher Film, falscher Film“ schreit es in mir.

Fast wäre ich versucht, die Frage nach dem „Warum“ zu stellen. Doch ich habe über die Jahre gelernt mich zu stoppen, wenn die Gedanken zum „Warum?“ oder noch schlimmer, zum „Warum ich?“ wandern. Sie führen zu nichts und ziehen mich nur im Strudel nach unten.

Wer hat sich eigentlich diese Challenge ausgedacht?

Gott? Das Universum? Das Leben selbst?

Hat sich das Leben vielleicht gedacht: „da haben wir eine Expertin für Resilienz, Burnoutprophylaxe, Atem  und Achtsamkeit und die soll jetzt mal schön selbst testen, was im Leben trägt“? Ich spüre meine Bitterkeit und versuche mich nicht von ihr davon tragen zu lassen.

Wie resilient bin ich? Was trägt mich durch die Krise?

Für eine Challenge schreibt man sich doch eigentlich freiwillig ein. Doch ich fürchte, mir lässt niemand die Wahl. Was bleibt mir übrig, als diese Aufgabe anzunehmen?

Seit inzwischen 4 Jahren arbeite ich mit meinem Kollegen im Bereich Salutogenese. Wir organisieren Auszeit-Kurse für kirchliche Mitarbeiter. Zu uns kommen Menschen, die auftanken wollen, weil sie irgendwo zu viel Kraft gelassen haben. Unser Angebot will Burnout verhindern und dazu beitragen, bei unseren Teilnehmer*innen Kraftquellen neu sprudeln zu lassen.  Doch jetzt geht es um mich, ganz und gar um mich. Wie ist es um meine eigene Resilienzfähigkeit bestellt?

Wenn ich schon da durch muss, dann soll es bitte nicht umsonst sein. Ich will genau hinschauen:

Welche Inputs, Methoden, Ressourcen, die wie unseren Teilnehmer*innen in den Kursen anbieten und von denen ich überzeugt bin, dass sie wirken, werden mir selbst in dieser schweren Lebenskrise nützen?

Abfluss: meine Ehe geht den Bach hinunter

Ich erlebe das ganze Programm an Gefühlen: bin unsagbar enttäuscht, verletzt, wütend, verzweifelt. Selbstzweifel nagen – ich komme mir einfach ausgewechselt vor, wie ein Kleidungsstück, das nicht mehr passt. Mir ist tagelang übel. Es ist mir, im wahrsten Sinne, zum Kotzen. Meine Gedanken springen hin und her und schießen Pfeile ab. Gegen ihn, aber auch gegen mich.  Puh, diese Gedanken machen erstmal, was sie wollen.

Doch hat die Manuela von heute einen unglaublichen Vorteil gegenüber der Manuela, die ich vor ca. 15 Jahren war.

Gedanken bemerken und nichts daraus machen

Ich habe gelernt, meine Gedanken zu bemerken und meine Aufmerksamkeit zu meinem Atem zurückzubringen. Im Körper anwesend zu sein. Den Schmerz zu halten. Containment. Zu Atmen. Bewusst ein. Bewusst aus.

Trotzdem bin ich entsetzt von mir, wie abgrundtief gemein und gleichzeitig verzweifelt meine automatisch sprudelnden Gedanken sein können. Wieviel Angst und Bitterkeit sie produzieren. Ich weiß, ich bin nicht meine Gedanken.

Ich weiß auch, dass es schlauer ist, die Realität zu akzeptieren. Zumindest mein Kopf weiß das. Achtsamkeits- und Weisheitslehrer sprechen davon. Doch jetzt, da Akzeptanz in dieser Größendimension von mir verlangt wird, zweifle ich, ob es mir gelingt, mich im Annehmen der Situation zu üben. „Lass es da sein, ohne etwas daraus zu machen“, habe ich meine Atemlehrerin im Ohr. Ich spüre eine große Entschlossenheit, das Atmen und die Achtsamkeits-Praxis aufrecht zu erhalten. Commitment.

Oft wurde ich schon belächelt für meine beharrliche Beschäftigung mit Achtsamkeit und verschiedenen anderen Heilungswegen. Jetzt habe ich die Chance, am eigenen Leib zu erfahren, was hilft.

„Nur wenn wir die Wahrheit aussprechen, kann echte Heilung geschehen“ (Zainab Salbi)

In all dem Gefühlschaos fällt mir plötzlich ein Buch ein, das ich vor ungefähr einem Jahr gelesen habe „Die wahre Freiheit liegt in dir“ von Zainab Salbi. Sie beginnt das 1. Kapitel mit der Überschrift „Unsere Geschichte erzählen“ und lädt ein, ebenso wie der Sänger Keno, unsere eigene Geschichte mit anderen zu teilen:

„Wenn wir alle zu unserer Wahrheit stehen, wie schwer erträglich oder trivial unsere Geschichten auch sein mögen, können wir gemeinsam den Weg in eine neue Zukunft finden“

schreibt Zainab Salbi.

zerbrochen und doch ganz

Foto von Motoki Tonn auf Unsplash

Meine Geschichte handelt von viel Schmerz, Schwere, Trauer, aber auch von Reichtum und Fülle.

Zainab Salbi hat recht, finde ich. Oft verkriechen wir uns, wenn wir in einer Krise stecken. Das hat mir unserer neurobiologischen Ausstattung zu tun. Sobald wir bedroht sind, schaltet unser System auf Survival-Modus um.

Fight – „ich könnte meinen Mann vor Wut an die Wand klatschen, habe Rachefantasien“, Flight – „ich möchte es einfach nicht wahrhaben, dissoziiere und hoffe so sehr aus dem Alptraum aufzuwachen. Freeze – „ich bin in Schockstarre, kann nicht klar denken, meine Gefühle sind abgeschaltet“.

Zunächst finde ich mich hauptsächlich in der Erstarrung wieder und will die Nachricht gar nicht an mich heranlassen. Ich bin so maßlos enttäuscht. Gedankenspiralen setzen ein. Erst Tage später kommt die Wut über diese ungeheuerliche, falsche Spiel, die Lügen, den Betrug.

Nach einem Anfall von Zweifeln: „Wie soll das werden? Wie soll ich das schaffen? Werde ich finanziell zurechtkommen?“ gewinnt die Gewissheit: „ich werde durch dieses „finstere Tal durchkommen.“ Ein „Dennoch“ macht sich breit.

Vom Überlebensmodus ins Beruhigungssystem

Ich bin selbst überrascht, dass es mir in dieser Situation möglich ist, mich nach dem ersten Zusammenbruch wieder aufzurichten. Ich bin mir sicher, dass mir das nur gelingt, weil ich die letzten Jahre so viel gelernt, ausprobiert und vor allem geübt habe – immer auf der Suche nach Heilung.

Achtsamkeit und Atempraxis haben mich gelehrt, im Sattel meines quasselnden Geistes zu sitzen und den automatischen Gedanken Einhalt zu gebieten, bzw. sie wie ein Rauschen nebenher laufen zu lassen, ohne sie groß zu beachten.

 Ich habe nach und nach meinen Werkzeugkoffer 🧳 mit vielen sehr unterschiedlichen Werkzeugen ausgestattet und kann darauf zu greifen.

Tränendes Herz

Ich habe in meinem Leben schon einige schwere Krisen überstanden. Die schwerste war der Tod meines 17jährigen Sohnes Christoph, sein Suizid vor 6 Jahren. Wobei das Wort „überstanden“  nicht richtig passt, denn der Schmerz über den Verlust wird mich sicherlich mein Leben lang begleiten. Aber mein Container, um Schmerz und Trauer auszuhalten ist größer geworden. Ich kann den Raum für schwierige Gefühle besser halten und muss sie nicht weg drücken. Sicher, es gibt immer wieder Einbrüche. Die gehören dazu.

Inzwischen sind 6 Jahre vergangen und ich weiß, wie ich mit meiner Trauer umgehen muss, damit sie nicht beleidigt und sauer ist. Ich gebe ihr immer wieder mal einen Platz, lade sie zu mir zum Tee ein. Manchmal kommt sie auch ungefragt, denn sie hat einen Schlüssel zu meinem Haus. 🗝️

Seit Christophs Tod habe ich mich nach und nach wieder ins Leben zurück geatmet. Atemzug für Atemzug. Habe wieder meinen Platz im Leben gefunden. Auch wir (mein Mann, mein jüngerer Sohn und ich), haben wieder eine neue Form als Familie gefunden – dachte ich. Bis dann Anfang Januar meine Welt zusammenbricht als mir mein Mann eröffnet, dass er sich neu verliebt hat

Was wäre, wenn alles so sein dürfte wie es jetzt ist?

 Ich weine 24 Stunden, nahezu ohne Unterbrechung. Mein ganzer Körper schmerzt, ich liege nachts im Bett wach vor Schmerzen – körperlich und seelisch: Magen/Darm spielen verrückt, mein Kopf platzt, meine Glieder schmerzen, wie bei einer schlimmen Grippe. Bekäme ich Schmerzensgeld dafür, hätte ich jetzt bestimmt eine ordentliche Summe zusammen.

Schmerz kenne ich. Dieser Schmerz ist schlimm, doch längst nicht so brutal wie der Trauerschmerz um meinen Sohn. Seine Lieblingsband Imagine Dragons singt vom Schmerz: „You made me a Believer“.

Ich leiste keinen Widerstand, weil mich die Achtsamkeitspraxis und Atemarbeit gelehrt haben, dass der Widerstand nur noch alles schlimmer macht. Widerstand produziert Leid. Den Schmerz lasse ich durch mich durch fließen.  Ein Satz aus der Achtsamkeitspraxis begleitet mich schon lange: Was wäre, wenn alles so sein dürfte, wie es ist?

…“Der Schmerz ist etwas Merkwürdiges, er ist wie eine notwendige Lehre. Ohne Schmerz können wir nicht richtig wachsen. Am Anfang wehrt man sich dagegen, strampelt, kämpft, leugnet, begehrt auf, ärgert sich, aber der Schmerz ist zäh und gewinnt am Ende immer. 


Wenn du stark bist und Glück hast, zwingt er dich in die Knie, lässt dich aber nicht zerbrechen. Irgendwann nimmst du ihn an, begreifst langsam, dass es keinen anderen Weg gibt und dass Du diesen Kelch bis zur Neige leeren musst.

Du bist in einem ganz tiefen Loch angekommen, und dann stampfst du einmal auf und fängst an, dich wieder nach oben zu arbeiten…..“ 

Lehnen wir den Schmerz ab, wird er nur umso größer. „Wenn ich mich öffnen und ihn wie ein Schwamm aufnehmen könnte, ohne ihm Widerstand entgegenzusetzen, würde er bis in den letzten Winkel meines Körpers vordringen und sich dann allmählich wieder zurückziehen.

Er würde viele Blessuren, Narben und Erinnerungen hinterlassen, aber er würde wieder gehen…“

Isabel Allende

Dieser Text von Isabel Allende begleitet mich schon lange – seit dem Tod meines Vaters 2015.

Es erstaunt mich selbst, wie ich die Situation inzwischen immer wieder so sein lassen kann, wie ich meine Gefühle da sein lasse im Vertrauen, dass sie auch wieder gehen. Ich meditiere in der Nacht und ich schreibe an meiner Dennoch-Geschichte.

Ich kann meinen Blick bewusst auf das Gute richten. Jahrelang habe ich das jeden Tag mit meinem Dankbarkeitstagebuch geübt und dabei entdeckt, dass gleichzeitig Schmerz und Freude da sein darf.

Es ist nicht alles nur furchtbar. Neben dem Bruch und dem damit verbundenen Scherbenhaufen gibt es auch „Gold“ zu heben. Da ist Zusammenhalt, Nähe, Verbundenheit, gegenseitiges Trösten und so viele liebe Menschen, die mich unterstützen.

Frau, Graffiti

9 Dinge, die mir in der akuten Krise am meisten geholfen haben/helfen:

  1. Verbindung zu spüren: zu all‘ den Herzens-Menschen, die es wohl mir meinen, zu meinem grossartigen Sohn❤️. Auch die Verbindung zu meinem verstorbenen Sohn Christoph spüre ich stark in den letzten Tagen und auch mein Papa ist sehr präsent. Danke!
  2. Meine innere Haltung. Die feste Intention, achtsam zu bleiben. Bewusst zu sein. Wahrzunehmen, ohne gleich etwas ändern zu müssen. Zu bemerken, wenn ich am Drama hafte und immer und immer wieder loszulassen. Ich hatte mich schon vorher dem „Projekt Hingabe“ verschrieben. Angefangen mit dem Wetter zu üben und dagegen keine Abwehr zu entwickeln, dachte ich eigentlich, ich wäre noch nicht so weit für die großen Herausforderungen. Doch das Leben passiert einfach, unabhängig von meinen Plänen. Danke Michael Alan Singer für das Hör-Buch, „Lebe unbeschwert“, das ich mehrfach bereits im Vorfeld gehört habe, ohne zu wissen, womit das Leben auf mich wartet. Ein wunderbares Buch, das zeigt worauf es ankommt.
  3. Atmen, Atmen, Atmen und Körperspüren. Immer wieder in den Körper heimkommen, wenn die Gedanken davon schießen. Atem spüren, Körper wahrnehmen. Mich innerlich streicheln lassen vom Atem. Der Atem, mein Anker.
  4. Achtsamkeitspraxis und Selbstmitgefühl – Zukunft und Vergangenleit loslassen, wieder und wieder und wieder. Freunlich sein mit mir selbst. Mir zuzugestehn:“Ja, es ist gerade schwer.“ Meinen verletzten Anteil achten. Danke, Tara Brach, für Rain
  5. Herzensarbeit (nach Safi Nidaye). Das verhaftet sein von Situation und Emotion lösen. Ganz einfache Fragen helfen: Was braucht dieses Gefühl? Beachtung? Respekt? Mitgefühl? Raum?…
  6. Musik und Tanz – sind eine riesige Ressource für mich. Eine Playlist mit Liedern, die mich trösten. Im Tanz alles abschütteln.
  7. Spiritualität: mein Glaube, dass es etwas größeres gibt als uns selbst. Gott, Universum, göttliche Kraft, wie auch immer du es nennen möchtest. Ich habe mich so getragen gefühlt in diesen Tagen. Ich konnte das Unlösbare den guten Mächten hinhalten und abgeben.
  8. Dankbarkeit – auch in diesen Tagen habe ich mein Dankbarkeitstagebuch hervorgekramt und alles reingeschrieben, was mir eingefallen ist. Ich gebe zu es ist mir zuerst ziemlich schwergefallen und hat mich Energie gekostet. Doch es hat sich gewandelt nach einer Zeit des Schreibens: Ich bin dankbar für 28 Jahre Ehe, für alles, was mein Mann für mich getan hat, für die gemeinsame, gute Zeit.Viele Szenen aus dem gemeinsamen Lebensfilm sind inzwischen vor mir abgelaufen: Urlaube, unser Kennenlernen im Tanzkurs, Verliebtsein, die Geburten der Kinder, wir als junge Familie, gemeinsames Tanzen, bewältigte Krisen, gemeinsames Weinen, gemeinsames Lachen, Humor, viel Humor…
  9. Viele kleine Dinge: Es hilft meinem Körper etwas gutes zu Tun. Viel Wasser trinken, ätherische Öle, so viel Schlaf zu bekommen, wie es geht (was echt schwer ist), Wärme – ich mach mir mehrmals am Tag eine Wärmflasche. Sie tut gut auf Bauch, Herz und Füßen. Texte, die mich inspirieren. An die frische Luft gehen und wenn es nur einmal um den Block ist. Kerzen anzünden. In der Laterne vor dem Haus brennt dauerhaft Licht,…

    Scheinbar bin ich auch ein Dennoch-Mensch. Ohne diese Krise, hätte ich es gar nicht gewußt. Ich bin nicht als Dennoch-Mensch geboren, aber ich bin zu einem geworden.

    Vielleicht inspiriert dich meine Liste, dir auch etwas von dem anzueignen, was sich in meiner inneren Schatzkiste angesammelt hat. Wenn du willst, kann ich dich dabei unterstützen.

    Ganz viel davon hast du schon in dir, da bin ich mir absolut sicher. Anderes kannst du trainieren, üben. Einen Instant-Weg gibt es leider nicht, doch ich garantiere dir, dass sich das Dranbleiben lohnt. Was für mich funktioniert, muss noch lange nicht für dich passen. Das kannst du ja und sollst du auch für dich prüfen. Letztendlich musst du deinen eigenen Weg gehen. Ich möchte dich nur ermutigen, denn es gibt so viel hilfreiches und heilsames. In meinem Leben habe ich wirklich schon viel ausprobiert.

    Ich schulde dem Leben das Strahlen in meinen Augen. Wann strahlst du?

    siehe den Song hier

    Ob du es glaubst oder nicht. Ich sitze hier, mitten in der Nacht in meiner Küche, zwei Wochen, nachdem mein Mann ausgezogen ist und strahle, weil ich mich unglaublich beschenkt fühle und spüre, wie reich mein Leben ist. Wie reich ich bin. Auch wenn ich mich wie durch den Fleischwolf gedreht fühle, auch wenn ich keine Nacht mehr als 3-4 Stunden schlafe und aussehe, wie ein Zombie. Auch wenn es unendlich traurig und tragisch ist, was passiert ist.

    Es mag ungewöhnlich sein, dass jemand zwei Wochen nach seiner Trennung strahlt. Manche mögen denken: „die ist nicht ganz koscher“. Ich habe tatsächlich schon skeptische Blicke geerntet.  Natürlich ist es ein wahnsinniger Einschnitt, der brutal weh tut. Ich schlafe immer noch zu wenig, kann mich schlecht konzentrieren, weine, wenn ich an gemeinsame Erinnerungen denke. Freude und Schmerz darf beides da sein. Es gibt so etwas, wie Gleichzeitigkeit.

    Strahlen

    Sich jeden einzelnen Augenblick neu für das Leben entscheiden

    Dennoch. Ich erlebe gerade, dass es möglich ist, auch in so einer Situation loszulassen, nicht am Drama kleben zu bleiben. Jeden einzelnen Augenblick kann ich mich neu dafür entscheiden. Ich wundere mich selbst, dass es gelingt.

    Über die Jahre habe ich gelernt , mich selbst wieder ins Gleichgewicht, in die Balance zu bringen.

    Ich weiß, wie ich mein Nervensystem reguliere. Ich spüre, wenn meine Ressourcen schwinden und mein Energiefass ein Leck hat (ich danke meiner Therapeutin, dass sie mir das beigebracht hat). Mittlerweile weiß ich genau, was ich tun muss und kann. Ich bin den Stürmen des Lebens nicht mehr hilflos ausgeliefert, sondern kann mich selbstwirksam wieder in meine Mitte bringen. Das klingt vielleicht zu einfach. Es ist einfach und schwierig zugleich. Das Schwierigste ist Dranzubleiben. Augenblick für Augenblick –  das Davongleiten bemerken und wieder zurückzukommen.

    Vor allem scheue ich mich nicht mehr Hilfe zu suchen und anzunehmen – auch therapeutische Hilfe. Die Zeiten, in denen ich dachte, alles allein bewältigen zu müssen sind längst vorbei. Warum auch? Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass es eine große Stärke ist, Hilfe annehmen zu können. Viele Menschen können das leider nicht.  Seit ich die mir angebotene Hilfe annehmen kann, fühle ich mich viel mehr mit den Menschen in meinem Leben verbunden. Mein Herz kann sich öffnen. Darüber bin ich froh.

    Hängematte

    Meine Freund*innen und Familie sind wunderbar. Sie begleiten mich mit Herzensarbeit und IFS (Inner Family System),  versorgen mich mit ätherischen Ölen, Lebensmitteln und Inspiraion, laden mich zum Essen ein,  bieten mir finanzielle Unterstützung an, schicken mir Gedichte und aufmunternde Worte, ermuntern mich zum Gottesdienst in die Kirche zu gehen oder nehmen mich mit auf einen Spaziergang.  Ich kann gar nicht alles aufzählen.

    Es erreichen mich noch so viel mehr ermutigende Worte von meinen Freunden, und unzählige Hilfsangebote. Ich bin überwältigt.

    Mein soziales Netz trägt. Mindestens so, wie meine Hängematte, die im Sommer an unserm Kirschbaum hängt. Ich fühle mich getragen und gehalten.

                                 ❤️‍🩹

    In diesen ersten zwei Wochen meiner Lebens-Krise habe ich so viel Unterstützung von meinem Umfeld erfahren, von Freund*innen und auch von Therapeutinnen, meiner Apothekerin, Kolleg*innen, Vorgesetzten und ganz überraschend von Menschen, die ich gar nicht mehr am Schirm hatte.

    Ich setze meinen Fuß in die Luft und sie trug

    Ich stehe vor einem Abgrund und gleichzeitig erlebe ich:

    „Ja, genau, das, was ich zu tiefst glaube, wovon ich überzeugt bin, was ich in meinen Kursen lehre und was ich meinen Klientinnen anbiete, trägt.“

    Das sind wervolle Schätze. Ich erfahre es gerade am eigenen Leib. Und das ist das allergrößte Geschenk, das in diesem Schmerz liegt. Dafür bin ich unendlich dankbar.

    Ich will dir Mut machen: Es gibt einen Weg zu dir nach Hause. Manchmal ist er mühsam und er ist sicherlich keine schnelle Angelegenheit. Du brauchst ein großes Maß an Entschlossenheit und einen langen Atem. Vertrau mir, aus meinem Leben heraus sage ich das mit Gewissheit: Du kannst lernen zurückzufinden, wenn du dich verirrt hast.

    Wenn du in einer akuten Krise steckst, dann hol dir Hilfe. Wenn sich dir Gedanken aufdrängen, die dich glauben lassen, das Leben würde keinen Sinn machen (auch das kenne ich), dann wende dich an Menschen, denen du verstraust, geh zu einer Beratungsstelle, einer Therapeutin und wenn es sein muss, in eine Klinik. Du kommst durch deine Krise! Nimm Hilfe an!!!

    Warte nicht erst auf eine Krise. Fang noch heute an, dir Ressourcen aufzubauen.

    Akzeptiere die Realität. Alles andere kostet dich nur unnötig Kraft. Gib ab. Lass los – auch wenn es dich an einen Kalenderspruch erinnert – lass los.

    Hör auf zu glauben, deine Welt und die Menschen darin müssten so sein, wie du dir das vorstellst. Wir können die Welt nicht kontrollieren.

    Sei weniger perfekt. Komm ins Tun und schau dabei liebevoll auf dich selbst.

    Heilung, Gnade, Ganzheit

    Zulassen (von Dana Faulds)

    Du kannst das Leben nicht kontrollieren.

    Versuche, einen Blitz einzufangen, einen Tornado zu begrenzen.

    Staue einen Fluss und er wird sich einen neuen Lauf suchen.

    Widerstrebe, und die Strömung wird dich mitreißen.

    Lasse zu und Gnade wird dich in höhere Gefilde tragen.

    Die einzige Sicherheit besteht darin,

    alles zuzulassen –

    Das Wilde und das Schwache, Angst, Fantasien,

    Fehlschläge und Erfolg.

    Wenn Verlust die Türen deines Herzens aufreißt

    oder Trauer deine Sicht mit Hoffnungslosigkeit verschleiert,

    wird das schlichte Aushalten der Wahrheit zur Praxis.

    Mit dieser Entscheidung, den gewohnten Weg des Seins zu verlassen

    wird deinen Augen eine neue Welt offenbart.

    Danna Faulds

     

    Quellen:

    Das pure Leben.

    Traukerze

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